11-27-2012, 07:34 PM | #1 |
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Verlage und Klassiker
Hallo eBook-Freunde,
Aus orthopädischen Gründen plane ich den Kauf eines eBook-Readers (Kindle Paperwhite). Das Problem: Die Literatur, die mich interessiert, gibt es zum großen Teil nicht in ansprechender elektronischer Form. So gibt es weder wichtige Werke von z.B. Camus oder Foucault noch die grandiose Moby Dick-Neuübersetzung von Matthias Jendis im Kindle Store. Kants «Kritik der reinen Vernunft» ist zwar verfügbar, aber lieblos formatiert und ohne den wissenschaftlichen Anmerkungsapparat, der eine gute Edition ausmacht. Selbiges gilt für fast alle eBooks vom Projekt Gutenberg. Gerade bei Werken mit komplexer Binnenstruktur könnten eBooks ihre Stärke voll ausspielen, indem sie etwa verlinkte Inhaltsverzeichnisse anböten. Leider bleibt es bislang beim Konjunktiv. Bemüht man Google, findet man Threads aus dem Jahre 2010, die das eben skizzierte Problem bemängeln. Hat sich seither nichts getan? Sind die Verlage so stur? Dabei wäre ich bereit, denselben Preis wie für ein Buch aus Bäumen zu zahlen. Für Werke mit verlinktem Inhaltsverzeichnis sogar einen Aufschlag. Aber dafür beharre ich auf eine ansprechende Edition mit schöner Formatierung und korrekter Orthographie. Bei Printbüchern funktioniert es doch auch. Hat hier jemand Einblick in die Verlagszene oder gar beruflich mit der Branche zu tun? Ist in Zukunft Besserung zu erwarten - oder lohnt sich der Kauf eines Kindle nur für Thriller- und Bestsellerlektüre? Last edited by MobyDünn; 11-28-2012 at 12:48 PM. |
11-28-2012, 02:43 PM | #2 |
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Es gibt im Grossen und Ganzen vier Bereiche, für die sich die Anschaffung eines Lesegerät lohnen könnte.
Erstens Fan-Fiction, Pulphefte und Romancenovels. Solche Sachen haben auch bei der Einführung der Druckpresse für grosse Irritationen gesorgt.. Wenn man Spass daran hat, oder einfach mal reinschauen will, dann sollte man sich ein Lesegerät kaufen. Der zweite Bereich wäre Lektüre, die man ohnehin wegwirft: Zeitungen und Zeitschriften. Allerdings halte ich da eInk für viel zu träge und unlustig. Der Bildschirm ist sehr klein, schwarzweiss und recht träge. Der dritte Bereich wäre hochspezialisierte Literatur, für die sich ein Druck aus Kostengründen nicht lohnt. Wenn man spezielle Interessen hat, und diese Literatur (ausschliesslich) digital verfügbar ist, dann muss man sich eben ein Lesegerät kaufen. Ein Teil der Literatur aus der Patricia Clark Gedächtnis Bibliothek hier auf Mobileread fällt unter diesen Punkt. Der vierte Bereich wäre die komfortable Nutzungsmöglichkeit eines lokalen Onleihesystems. Wissenschaftlich editierte Klassikerausgaben sind für Lesegeräte nur in seltenen Ausnahmen verfügbar. Für die wissenschaftliche Arbeit zählt ausschliesslich die Printausgabe, oder eine zierfähige Digitalausgabe einer wissenschaftlichen Bibliothek. ePubs sind zur Zeit nicht zitierfähig, da sie von jedermann modifiziert und modifiziert in Umlauf werden können. Es gibt eine kleine Gruppe von Verlagen, die Digitalbücher mit der Seitenzählung der Printausgabe veröffentlichen, dort gilt die Digitalausgabe als Abbild der Printausgabe und kann als Printausgabe zitiert werden. |
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11-28-2012, 03:42 PM | #3 | |
Skeptiker
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Quote:
Und bei der Formatierung gibt es noch diverse Einschränkungen. Z.B. können die Lesegeräte keine Fußnoten darstellen. Einige fügen sie – ausgegraut, in eckigen Klammern oder so – in den lfd. Text ein, andere als Endnoten, was beides nur Notbehelfe sind. Dabei könnten die Geräte das, technisch gesehen. Eigene Kommentare erscheinen, wenn man den Cursor auf die entsprechende Stelle bewegt, am oberen oder unteren Bildschirmrand (jedenfalls beim Kindle). Das wäre auch schön für Fußnoten, Aber die kann der eBook-Ersteller nicht so mitliefern, daß sie in dieser Art (wie Leser-Anmerkungen) angezeigt werden. Jedenfalls habe ich dafür noch keinen Weg gefunden. Außerdem können die Lesegeräte keine weichen (bedingten) Trennstriche interpretieren bzw. interpretieren sie falsch (als echte Trennstriche), was im Text häßlich ist. Kopf- und Fußzeilen können wohl technisch irgendwie erzeugt werden. Das muß aber ziemlich „tricky“ sein, denn es wird – außer von Zeitschriften (F.A.Z.) – nicht verwendet. Ich habe auch noch nicht im einzelnen herausgefunden, wie das geht. Und Lyrik läßt sich auf den kleinen (6") Bildschirmen oft überhaupt kaum genießbar darstellen Andererseits ist im eBook-Bereich viel Bewegung. Es gibt ständig neue Geräte (auch schon eInk in Farbe) und ein neuer epub-Standard (3.0.), der mehr können soll, ist auf dem Weg. Ich bin deshalb zuversichtlich, daß sich die (durchschnittliche) Qualität und Verwendbarkeit allmählich hebt und die von Dir beklagten Lücken langsam schließen. Last edited by praetor; 11-28-2012 at 04:24 PM. |
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11-28-2012, 04:36 PM | #4 |
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Ich hoffe das auch. Aber das geht eben sehr langsam..
Die Digitalisierung von Literatur hat ja vor ungefähr 20 Jahren begonnen, als die ersten Studenten anfingen, ihre Lieblingsbücher und -Gedichte ins Internet zu tippen. Ich denke als Leseausgaben sind viele digitale Klassikerausgaben geeignet. Das Problem ist eben, dass ein Leser erst herausfinden muss welche das sind. Denn das kostet viel Zeit, ich bin damit nun fast ein Jahr beschäftigt. Wenn ein Leser sich fünf Kindle Gratisbücher besorgt, dann wird darunter gewiss auch eins sein, das irgendwie seltsam ausschaut und gewissen Ansprüchen nicht genügt, und seien sie bloss ästhetischer Natur. Hier auf Mobileread ist das einfacher, da kann man sich an einzelne Buchersteller halten, deren Bücher einem zusagen und denen man vertraut. Aber auch das ist sehr zeitaufwendig. Das lohnt sich nicht für jemanden, der im Monat ein, zwei Klassiker lesen möchte. Das ist eher ein Hobby für literaturbegeisterte Menschen (aka: Nerds). Ähnlich wie bei den Zeitungen und überhaupt bei allen digitalen Projekten wird es wohl darauf hinauslaufen, dass sich Quasi-Monopole bilden. Und wir sehen das gerade tatsächlich im Verlagswesen mit Randomhouse-Penguin. Aber auch in allen anderen Bereichen fördert die Digitalisierung eher die Entstehung von Grosskonzernen (Apple, Facebook, eBay, Amazon usw..). Momentan hoffe ich, dass die Kulturinstitute der Länder sich der Angelegenheit annehmen. Es gehen in Deutschland jährlich Milliarden an Kulturinstitutionen (incl. Bibliotheken, Universitäten und Archive), es ist irgendwie deren Job, sich darum zu kümmern, dass ich (und sämtliche Schüler) eine 100%-ig exakte Ausgabe von Goethes Faust für mein Lesegerät bekomme. Und zwar gratis. Bitte. |
11-28-2012, 04:59 PM | #5 |
Skeptiker
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Damit forcieren sie ja noch die Monopolisierung, die – da gebe ich Dir recht – ohnehin im Gange ist, weil dann überhaupt niemandem mehr einleuchtet, für Lesestoff Geld auszugeben. Und die Digitalisierung vorhandener Literaturbestände kostet, viel Zeit und viel Geld. Und noch gibt es ja Lücken, in denen man digitalisieren und – verkaufen kann. Vielleicht sollten wir nicht zu früh die Flinte ins Korn werfen.
Last edited by praetor; 11-28-2012 at 05:19 PM. |
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11-29-2012, 01:20 AM | #6 |
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Das könnte so sein, muss aber nicht sein. Es gibt da verschiedene Szenarien.
Momentan ist es so: Eine Schulklasse möchte Goethes Faust lesen, und zwar aus irgendwelchen Gründen nur mit Lesegeräten.. Man müsste dann 25x die digitale Reclamausgabe à 1,99 Euro bestellen: 49,75 Euro. Auch wenn das in diesem speziellen Fall nicht viel Geld ist, so lesen doch hunderttausend Schüler jedes Jahr den Faust, und es ist schwer zu vermitteln, weshalb das jedes Jahr hunderttausend Mal neu eingekauft werden muss. Es kann genauso gut einer der 30 Goetheprofessoren, die dafür ohnehin bereits von den Universitäten bezahlt werden, mit einem seiner dutzend Assistenten eine solche Ausgabe erstellen.. Denn das ist einfach ihr Job, so etwas zu tun. Und das ist auch ihr Tätigkeits- und Arbeitsbereich. Dafür werden sie bezahlt. Und dann könnten immer noch verschiedene Ausgaben miteinander konkurrieren.. Vielleicht gibt der Freistaat Bayern den Goethe ganz getreu in der Orthographie des Erstdrucks heraus. Oder die Universität Leipzig ist für ihren ausführlichen Anmerkungsapparat bekannt. Oder was noch alles denkbar ist. Einleitungen, Vorworte, Interpretationen, Anpassungen an die zur Zeit gültige Rechtschreibung.. Solche Ausgaben kann ein normaler Professor allerdings auch nicht alleine erstellen. Denn die meisten dieser Leute sind so wie ich: Man hat schon grosse Mühe, den Computerschalter zu finden.. Natürlich gibt es Forschungen zur Digitalisierung, und im Grunde müsste eine Hochschule inzwischen logistisch in der Lage sein, den kompletten Goethe in einer Woche fehlerfrei zu digitalisieren. - Wenn sie das aber nun aus irgendwelchen Gründen nicht kann, dann wäre das ein Bereich, in dem private Dienstleister einspringen können und müssen. Auch im Bereich des Korrekturlesens und der Redaktion bereits vorhandener digitaler Texte durch Experten wird gewiss immer ein Bedarf bestehen. |
11-30-2012, 06:43 AM | #7 | |
1►2pa®a¤d’♫ce
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Guckstu hier oder da oder dort; es gibt sogar Homer, Vergil und Ovid mit Zeilenzählung in MR. Last edited by brucewelch; 12-01-2012 at 11:12 AM. |
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08-18-2013, 06:47 AM | #8 |
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Es hat sich inzwischen etwas getan!
Sowohl Musils Mann ohne Eigenschaften als auch die Klassiker von Albert Camus gibt's jetzt für den Kindle. Und zwar nicht in den 0,99€-Billigversionen ohne Inhaltsverzeichnis und mit zig Rechtschreibfehlern, sondern die offiziellen Originalausgaben der Verlage. Ein weiterer Schritt in die richtige Richtung und Grund zur Hoffnung, Freunde! |
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